Wie sich Führungsverantwortliche durch stereotype Annahmen selbst behindern

Es geht um die Generation Z, Menschen, die zwischen 1995 und 2010 geboren sind. Auf diese Generation entfallen einige pauschalierende Spitznamen: “Generation Feierabend”, “Generation Schneeflocke”, “Generation Krankenschein”, “Generation Pause”, um nur die wesentlichen zu nennen. Die Spitznamen sind gleichzeitig ein Hinweis auf die Unsicherheit im Umgang mit dieser Generation. Jeden in dem genannten Zeitrahmen geborenen Menschen dem stereotypischen Muster von Spitznamen unterordnen zu wollen, gehört zu den Kardinalfehlern des Führens.

Führungsverantwortliche sollten sich immer daran erinnern, dass jeder Mensch von seinem Wesen her ein Individuum ist, das nicht einfach pauschal einer Gruppierung untergeordnet werden kann. Es mag sein, dass Menschen nur deswegen der einzelnen Untergruppierungen zuzuordnen sind, weil sie sich gern an anderen orientieren. Wenn sich Führungsverantwortliche aber dem Fehler der Pauschalierung ausliefern, besteht die Gefahr, sich konträr zu dem zu verhalten, was Führung bewirken kann. 

Die stereotypem Annahmen können bei Führenden Mitarbeitende folgende Vorurteile fixieren: Der Feierabendtyp will besonders pünktlich nach Hause gehen. Der Schneeflockentyp schmilzt auch unter leichtestem Druck dahin. Ein Krankenscheintyp sieht Krankheit als sicheren Weg, sich kritischen Gesprächen oder Situationen zu entziehen. Der Pausentyp will gar nichts tun.

Die Generation Z kommt in einer Zeit wie dieser besonders ins Rampenlicht, wenn es darum geht, Schuldige für die Talfahrt der deutschen Wirtschaft im Vergleich zu allen anderen Industrienationen zu suchen. Ihnen wird einfach mal mangelnde Leistungsbereitschaft unterstellt, ohne sich für das wirkliche Befinden Einzelner zu interessieren. Dass außerdem die Regierung am Pranger ist, hilft den Führungsverantwortlichen in Wirtschaft und Behörden, von sich selbst abzulenken.

Dass es immer die anderen sind, wenn’s nicht so läuft, wie es sollte, ist eine gern genommene, aber eben toxische Rezeptur. An dieser Stelle meine ich nicht die anderen. Ich meine uns alle, die Führung ausüben. Genauer gesagt geht es mir um das, was mit Führung zu optimieren ist. Noch präziser, was der oder die einzelne Führungsverantwortliche besser machen kann. Wenn Mitarbeitende über die Art, wie sie geführt werden, nicht in Schwärmen kommen, so sind Brüche in der Führungsbeziehung die Ursache des Auseinanderlaufens statt enger Zusammenrückens. Geführte fühlen sich nicht verstanden und wenden sich ab. Führende wollen nicht verstehen, schaffen sich den „schwer zu führenden Mitarbeiter“ als Erklärung dafür, dass da einfach nichts zu machen ist.

Das so entstehende Defizit an Leistung muss nicht sein. Aus der Sicht der Führung ist immer was zu machen. Ich habe mir vor langer Zeit angewöhnt, Menschen im Berufsleben nicht nach ihrer Herkunft, nicht nach ihrem Alter oder sonstigen Vorurteile bildenden Gruppierungen einzuschätzen. Mein Prinzip lässt sich auf den einfachen Nenner „P.C.F“ bringen. Die drei Buchstaben stehen für Performance, Culture, Focus.

Performance

Dabei denke ich an Bestleistung. Mich interessiert, was einen Menschen davon abhält, sein Bestes zu geben. Mich interessiert noch mehr, was einen Menschen bewegt, sein Bestes zu geben. Daraus kann ich lernen. Das hilft mir als Fahrplan für meine Führungsbeziehung, die ich individuell auf die Einzelperson abgestellt zu Geführten aufbaue. Das zeigt mir aber auch Störungen in der Führungsbeziehung auf, die erkannt und bearbeitet gehören. Wer Bestes von Mitarbeitenden will, muss ihnen Bestes liefern. Also führt an mitarbeiterorientierter Führung kein Weg vorbei.

Culture

Dabei denke ich an Unternehmenskultur oder Nahkultur im unmittelbar erlebbaren Bereich. Mich interessiert, wie die Kultur von den Menschen erlebt wird, die meine Direct Reports sind und Anspruch auf meine Dienstleistung Führung haben. Denn deren Leistungsmotivation wird durch die von ihnen wahrgenommene Kultur gefördert oder behindert. Ich kann in einem größeren Unternehmen nicht die Kultur der ganzen Firma beeinflussen und verantworten. Nicht einmal als CEO. Ich kann aber einerseits meinen Beitrag zu einer „Leistungskultur“ erbringen, die den Namen verdient. Ich kann andererseits im Nahfeld dafür sorgen, dass die erlebte Kultur möglichst leistungsfördernd, zumindest aber nicht leistungsbehindernd ist. Das nenne ich „Leistung aus Kultur“.

Focus

Fokussieren ist im Zusammenhang mit Führung die Fähigkeit, das Wesentliche zu tun und sich von Unwesentlichem nicht abbringen zu lassen. Dabei fokussiere ich mich und die von mir steuerbaren Prozesse auf eine möglichst sichere Erreichung des gewollten Ergebnisses. Warum „Ergebnis“ und nicht Ziel? „Ergebnis“ als Begriff vermittelt mir mehr Verbindlichkeit als der inflationierte Begriff „Ziel“. Ich habe zu viele Studien durchgeführt, die aufdeckten, wie unverbindlich mit Zielen umgegangen wird. Sie werden geplant und wenn man sie verfehlt, plant man neue Ziele. Das ist mir persönlich zu wenig griffig. Ich habe nicht die Zeit, ins Blaue zu planen. Das Denken in „Ergebnis“ entlockt mir schlussfolgerndes Streben, die Habgier, unbedingt erreichen zu wollen, was ich mit bestmöglicher Gründlichkeit geplant habe.

Vom Mund in die Hand

Mit „Vom Mund in die Hand“ meine ich die konsequente Umsetzung wirksamer Führung. Nicht reden, sondern tun. Als Berater mit psychologischem und betriebswirtschaftlichem Background erlebe ich seit Jahrzehnten viele Organisationen mit geklärten Prozessen und noch mehr Führungsverantwortliche mit besten Vorsätzen. Gleichzeitig höre ich von Geführten nicht erst seit jüngster Zeit, wie unzufrieden viele mit der von ihnen vermissten Führungsqualität sind. Vorsätze vergleiche ich gern mit Wolken, die zunächst funktionslos sind. Erst wenn ihr Inhalt als Regen fällt, kann man sich in Zeiten der Dürre freuen. Mitarbeiten kennen das als Führungsdürre. Worte versprechen, was man als Taten vergeblich sucht.

Von Geführten nehme ich auf, dass sie von oben nicht hören möchten, wie toll geführt wird. Sie wollen es hautnah erleben. Und genau da ist vielfach ein Bruch in der Führungsbeziehung vorhanden. Führungsgrundsätze sind ohne konkrete Umsetzung vollkommen blutleer. Aber, welche Firma schmückt sich nicht mit solchen Theoriekonstrukten? Wenn überhaupt Führungsgrundsätze, dann sollten sie aus der Sicht des Empfängers gedacht werden und formuliert sein. In der Regel sind Führungsgrundsätze aber aus der Sicht der Führenden formuliert. Das ist so verwirrend wie falsch.

Das wesentliche von Führung

Wirksame Führung ist Dienstleistung am Mitarbeiter. Das ist ohne Aufmerksamkeit für das Individuum nicht zu leisten. Es gibt keine schwierigen Mitarbeiter. Allerdings ist der Führungsaufwand pro Geführtem unterschiedlich. Motivation und Potenziale, darüber sollte man als Führender pro Direct Report Bescheid wissen. Je weniger der einzelne Geführte performt, umso genauer. Aber auch Bestleister darf man nicht aus den Augen verlieren. Von ihnen lässt sich lernen, was anderen fehlt oder sie nicht nutzen.

Es mag erstaunen, aber in der Führungsbeziehung ist der Geführte wichtiger als der Führende. Jedes Führungsbemühen, jede Führungsmaßnahme geht ist Leere, wenn davon keine Führungswirkung ausgeht. Die Führungswirkung ist aber nur an der Reaktion des Geführten abzulesen, nicht am Verhalten des Führenden. Führungswirkung lässt sich nicht am Führungsverhalten messen. Führungswirkung ist das, was der Mitarbeiter versteht und annimmt. Deshalb lässt sich Führungswirkung nur Mitarbeiterverhalten messen. Dabei kann es vorkommen, dass die Führung nach Lehrbuch ideal ist und trotzdem ergebnislos bleibt. Das ist das Schicksal einer jeden Theorie, die sich in der Umsetzung nicht bewährt hat.

Eine gute Führungsbeziehung wird genährt durch das Wissen des Führenden darüber, wie der Geführte Führung braucht. Und darüber kann niemand anderer als der Geführte Auskunft geben. Deshalb sind Direct Reports für Chefs die besten Berater in Sachen Führung. Ob es der Beraterwelt gefällt oder nicht.

Wir Berater können aber etwas anderes leisten: Führende darin anzuleiten, wie man so viel wie möglich vom Führungsbedarf des Einzelnen hören, verstehen und nutzen kann. „Führungstechnik“ ist da vollkommen fehl am Platz. Aufmerksamkeit, Sensibilität, Wertschätzung und echtes Interesse am anderen ist zwar schwerer zu lernen als Führungstechnik, dafür aber umso wirksamer.

Wer führungswirksam agiert, spart im Übrigen viel Zeit. Denn der Führungsbedarf fällt je nach Direct Report sehr unterschiedlich. Hier wie anderswo ist das Ergebnis wichtiger als der Ablauf, der zum Ergebnis geführt hat.

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